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Dossiers - Männergesundheit

Männer und ihr Körper

Körperlichkeit ist für das Mann-Sein von grundlegender Bedeutung. Frauen wollen keine Bierbäuche mehr, die Kosmetikindustrie pocht auf porentief reine Männerhaut und die Medizin entdeckt, dass Körperbildprobleme und Essstörungen auch Männer betreffen. Was denken Männer über die Bedeutung ihrer Körper innerhalb der Männergesellschaft?
 Männer und ihr Körper -
Männer und Ihr Körper - Foto: The Library of Congress - Lizenz: Keine Beschränkungen bekannt
Anhand zahlreicher Einzelinterviews und in Gruppendiskussionen konnte ich in meiner Studie ein lebendiges Spiegelbild der Kommunikationssituation unter Männern darstellen.

Selbstbild
Wenn Männer über ihren Körper sprechen, sprechen sie von elterlicher Erziehung, weiter von Schule, Medien, Peer-Groups oder Sportvereinen, die wesentlich an der Formierung der Geschlechtsidentität beteiligt sind. So kommen die Vorstellungen über den Idealkörper des Mannes oder der Frau zustande.
In welcher Form haben (heterosexuelle) Männer mit anderen Männern Körperkontakt? Sie denken, dass nur bestimmte Umgebungen es ihnen ermöglichen, Körperkontakt mit anderen Männern zu haben: „Am Fußballplatz wird’s toleriert, sonst nicht.“ Umarmungen sind eher selten: „Ja, das muss schon ganz ein spezieller, wirklich ganz besonderer Anlass sein. Aber sonst reicht mir das Handgeben.“
Auch Wünsche und Visionen der Männer in Bezug auf ihr Mann-Sein und das Geschlechterverhältnis werden wiedergegeben: „Ich würde meinem Sohn wünschen, dass er gefühlvoll, sentimental wird, offen und tolerant wird und keine geschlechtsspezifischen Unterschiede macht. Weil ich das absolut nicht richtig find’, wenn irgendwelche Rollenklischees da ausgelebt werden.“ – „Dieses Halbe-Halbe, ich glaub, das wird sich bei den nächsten Generationen sowieso einpendeln.“

Tabuthemen
Die Gespräche unter Männern bleiben meist an der Oberfläche: „Das ist irgendwie das Problem, dass in einer Männerrunde eigentlich immer einer, oder eigentlich alle, versuchen ein bisschen einen Schmäh laufen zu lassen. Das ist irgendwie verständlich, dass man private Angelegenheiten in so einer Runde nicht unbedingt in die Öffentlichkeit trägt, weil da schießt man sich dann das so genannte Eigentor.“ Die starke Hierarchie in Männergruppen führt zu Tabus: Es geht darum, keine Schwächen zu zeigen, keine Angriffsflächen und wunden Punkte preiszugeben, die im permanenten Konkurrenzkampf gegen einen selbst verwendet werden könnten. Die eigene Heterosexualität muss symbolisiert werden. Umarmungen? „Das wird eher schief angeschaut. Vielleicht kriegt man es wirklich durch die Erziehung mit.“
Über den eigenen Körper wird in Männerrunden kaum gesprochen. Überhaupt werden Körperthematiken auf sehr einseitige Weise behandelt. Toleriert werden Gespräche zu gesundheitlichen Fragen oder zu sportlichen Leistungen.
Komplimente, die das Aussehen betreffen, sprechen Männer untereinander kaum offen aus. Machen sie ihrem männlichen Gegenüber doch einmal ein Kompliment, dann betten sie es in einen Kontext ein, der die Bedeutung der Aussage untergräbt oder deren Inhalte in ihrer Wertigkeit verändert. Meist werden Komplimente mit einem Witz verbunden, wodurch ihnen die Ernsthaftigkeit etwas genommen werden soll.
Die meisten Komplimente beziehen sich auf das Körpergewicht. Abmagerungskuren und hartes Training sollen zu einem perfekten Körper führen. Die Anstrengungen dafür werden mit Anerkennung belohnt, auch durch die Gesellschaft, etwa bei gesteigerten Chancen, einen gut bezahlten, höheren Posten zu ergattern. Männer sprechen in den Komplimenten also nicht direkt das Aussehen an, sondern das Abnehmen, die vollbrachte Leistung, die aufgewendete Disziplin.
Über persönliche Probleme, Wünsche, Pläne und Bedürfnisse, kurzum über alle Themen, die die eigene Person konkret betreffen, wird in Männerrunden nicht oder nur ganz selten geredet. Über „Privates“ spricht der überwiegende Teil nur mit der eigenen Partnerin.
Männer wenden gewisse Strategien an, wenn sie nach der Lösung für ein persönliches Problem suchen: „Also ich geh da nicht so direkt mit meinen persönlichen Problemen hin, sondern redest so allgemein über die Themen oder versuchst im Gespräch das so hinzudrehen, dass drüber geredet oder diskutiert wird, ohne dass der Andere jetzt gleich weiß, na ja du willst eigentlich für dein Problem oder für deine Situation jetzt eine Lösung herausbekommen.“

Auf Entdeckungsreise
Als Frau konnte ich bei dieser Studie vieles aus der Männerwelt ans Licht tragen. In einem eigenen Forschungstagebuch legte ich meine Erfahrungen nieder. Viele junge Männer leben nach wie vor tradierte Auffassungen von Männlichkeit – entgegen allen Schlagzeilen, die die allmähliche Durchsetzung des „neuen Mannes“ verkünden. Besonders eindrucksvoll ist das Festhalten an männlichen Klischees bei Fragen rund um den Körper.
Ein Befragter stellte fest: „Aber in Wirklichkeit sind wir gar nicht so ein starkes Geschlecht.“ Ein anderer nickt zustimmend: „Weil ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Wir alle kennen diesen Satz aus der Kindheit. Genau dieses Beispiel zeigt die enorme Bedeutung der Erziehung. Frauen und Männer müssen erkennen, dass auch sie aktiv an der Reproduktion von Normen mitarbeiten. Erst wenn etwas zum Thema gemacht wird, kann es bearbeitet und damit verändert werden. Und hier kann Bildung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie hilft, durch neue Erkenntnisse den tradierten Überzeugungen ihren Universalitätsanspruch zu nehmen.

Von Sonja Kutschera-Groinig. Die Autorin ist Doktorandin an der Universität Klagenfurt.

Buchtipp
Sonja Kutschera-Groinig
Vorhang auf: Männer unter sich. Sozialkritische Studien in Männergruppen.
Münster, Hamburg, Berlin, Wien, London: Lit-Verlag 2005

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